Vom Paddel zum Eisen

Vom Paddel zum Eisen

  1. Welche Faszination übt das Gewichtheben auf dich aus?  

Ich habe einfach richtig Spaß, wenn es gut läuft. 

Ich habe schon immer gerne Krafttraining gemacht und finde es toll den Fortschritt ganz konkret an den Gewichten sehen zu können. 

Es fühlt sich richtig gut an, wenn man beim Reißen unten stabil in der Hocke sitzt und weiß, dass man den Versuch sicher hat und dann nur noch aufstehen muss und sich dabei schon freuen kann. Genauso toll ist es, wenn man beim Ausstoß merkt, dass man den Versuch genau richtig angeschoben hat und einfach alles passt- dann fliegt die Hantel wie von selber, auch wenn dann schon viel Gewicht drauf ist. 

Außerdem finde ich es besonders faszinierend, was richtig starke Frauen in den niedrigen Gewichtsklassen (- 49/ -55/ -59) an Gewicht bewegen und über Kopf halten können. 

Das will ich auch so können. 

In der Bundesliga kommt dann noch das Teamgefühl dazu. Jeder fiebert bei jedem Versuch mit und am Ende gewinnt man gemeinsam. Wenn gute Stimmung in der Halle ist, wird es laut wenn man auf die Heberbühne kommt und ganz leise wenn man an die Hantel geht und wieder laut, wenn man den Versuch geschafft hat. Es ist ein tolles Gefühl, wenn sich so viele mit einem freuen können. 

Wenn jemand an seine Bestleistung oder sogar einen noch höheren Versuch geht ist es natürlich besonders spannend. Die Versuche sind dann etwas, was man noch nie vorher gemacht hat. Es ist toll zu sehen wie dann diese alte Grenze einfach verschoben wird, hier zahlt sich das ganze Training dann voll aus.

  1. Du warst noch vor einigen Jahren als Leistungssportlerin im Kanu Rennsport aktiv. Weshalb war gerade der Wechsel zum Gewichtheben so attraktiv?

Ich wusste, als ich mit dem Kanurennsport aufgehört habe, dass ich, wenn ich nochmal in einer neuen Sportart von ganz vorne beginne, auch hier Wettkämpfe bestreiten wollen würde. Viele Sportarten kamen so schon gar nicht mehr in Frage, weil ich mit damals 20 Jahren bereits zu alt war, um diese zu erlernen und auch noch auf einem gewissen Niveau betreiben zu können. Beim Gewichtheben kann man, wenn man die richtigen Voraussetzungen mitbringt und fleißig trainiert auch noch im „hohen Alter“ recht erfolgreich werden. 

Als Kanurennsportlerin habe ich schon in sehr jungen Jahren mit dem Krafttraining begonnen. Das umfasste hauptsächlich Klimmzüge, Liegestütze, Bankdrücken, Bankziehen, Bauch und Rücken – also eigentlich etwas ganz Anderes, als ich jetzt tue. Dennoch habe ich schon mit knapp 13 Jahren meine Freude am Krafttraining entdecken können, die bis heute noch immer uneingeschränkt besteht. Kanurennsport ist zudem eine Kraftausdauer-Sportart – ich konnte also recht gute Voraussetzungen, sowohl körperlich, als auch mental zum Olympischen Gewichtheben mitbringen. 

Zudem habe ich das Glück schnell Muskulatur aufbauen zu können. Innerhalb kurzer Zeit habe ich recht starke Beine von den vielen Kniebeugen und den Zügen bekommen, die man beim Gewichtheben braucht. Mein Oberkörper hingegen hat einiges an Muskulatur verloren (lacht!). 

Die letztendliche Entscheidung fiel, als ich in das 100% Mannheim kam und meine jetzigen Trainer Tom und Almir mich von Beginn an ernst genommen und unterstützt haben – das ist nicht selbstverständlich! 

  1. Wie sieht deine Trainingswoche in der Regel aus? Auf welche Inhalte legst du oder deine Trainer besonders wert? 

 Tastsächlich trainiere ich momentan meistens 5 x die Woche, meisten am Abend für ca. 2-3 Stunden - das ist ganz anders als im Kanu. Beim Gewichtheben ist die Regeneration viel wichtiger – man ist viel zu langsam und undynamisch, wenn man seinem Körper nicht die Möglichkeit gibt sich zu erholen. Also die Pausen sollten gerade in intensiven Wochen unbedingt eingehalten werden, da muss mein Trainer mich auch manchmal bremsen. 

Besonders wichtig ist bei mir noch viel Techniktraining, gerade im Reißen. Das Reißen ist eine sehr komplexe Übung, wo die reine Kraft leider weniger relevant ist. Das sieht im Stoßen schon anders aus, diese Übung verzeiht einem einen kleinen Technikfehler eher und hier kann man diese besser mit Kraft kompensieren. Außerdem ist die Beweglichkeit ein besonders wichtiger Aspekt. Ich habe am Anfang sehr viel, wirklich sehr viel Zeit im Alltag in der tiefen Hocke verbracht. Das war schon eine Herausforderung und dann soll man dabei ja auch noch eine Stange mit möglichst viel Gewicht über dem Kopf halten… Meine Hocke ist mittlerweile passable, meine Schultern hingegen stehen noch von den vielen Jahren, die ich im Boot verbracht habe etwas zu weit vorne, was beim Reißen und Ausstoßen unvorteilhaft ist – hier arbeite ich vor jedem Training dran. 

Was meinem Trainer besonders wichtig ist, ist was ich selbst liebevoll als „Nebengeplänkel“ bezeichne. Das sind Stabilisations- und Schnelligkeitsübungen um Dysbalancen vorzubeugen und mehr Dynamik in die ganze Sache rein zu bringen. Hier bin ich ehrlich gesagt manchmal ein bisschen zu nachlässig, obwohl ich natürlich weiß, wie wichtig das ist. Aber das muss man halt immer NACH dem eigentlichen Training machen und dann bin ich einfach oft schon kaputt. 

  1. Du hast in den vergangenen Saisons für den AV 03 Speyer in der Bundesliga gehoben. Welche Erfahrungen hast du für dich mitgenommen?

Ich wurde im Speyrer Verein ganz wunderbar empfangen und habe meine ersten Wettkämpfe in einer tollen Atmosphäre so richtig genießen können. 

Die Mannschaft war einfach klasse und hat mich als absoluten Neuling super unterstützt. Ich werde sie auf jeden Fall alle sehr vermissen!

Ich durfte direkt in der 2. Bundesliga heben und habe an jedem Kampf (außer einem) in den vergangenen zwei Jahren mitheben können und dürfen. Hier habe ich dann innerhalb der 2 Jahre Wettkampferfahrung sammeln können, was leider noch nicht so viel daran geändert habe, dass ich vor dem ersten Reiß-Versuch ziemlich aufgeregt bin.  

Ich bin auch in beiden Jahren bei der Deutschen Meisterschaft für Speyer an den Start gegangen, bei einem so großen Wettkampf ist dann die Atmosphäre natürlich nochmal ganz anders. 

Ein besonderes Highlight war für mich jedes Mal wenn nach unserem Wettkampf ein Kampf der 1. BL war, wo die absoluten Profis mitheben und zu Teilen auch ihre Spitzenleistungen auf der Bühne erbracht haben. Das war immer sehr eindrucksvoll und gibt einem nochmal mehr Motivation- da will man ja schließlich auch mal hin…  

  1. Gibt es für dich sportliche Vorbilder – wenn ja, was schätzt du an Ihnen so sehr? 

Mein sportliches Vorbild ist eine meiner besten Freundinnen, mit der ich früher gemeinsam gepaddelt bin. Auch wenn sie eine ganz andere Sportart betreibt als ich es jetzt tue habe ich mir sportlich von niemandem mehr abgucken können als von ihr. 

Ich kenne niemanden der so sehr hinter einer Sache steht und auch wirklich alles dafür tut wie sie. Ihre Einstellungen zum Sport und dem damit verbundenen Lebensstil und ihr Fleiß sind für mich, obwohl ich wirklich viele LeistungssportlerInnen kennen gelernt habe, etwas ganz Besonderes. 

Richtige Vorbilder im Gewichtheben an sich habe ich (noch) nicht. Es gibt einige Herberinnen, wie Lydia Valentin, denen ich unheimlich gerne beim Heben zu schaue und natürlich auch versuche Teile ihrer Technik zu übernehmen. Da jeder aber mit ganz anderen Voraussetzungen arbeiten muss und da bei einigen Sportlern manche Techniken sehr gut und andere wiederum gar nicht funktionieren versuche ich gemeinsam mit meinem Trainer das finden, was bei mir am besten klappt. 

  1. Als Sportler möchte man gewinnen und gesund bleiben – jedoch gehören Niederlagen und Verletzungen ebenfalls dazu. Wie gehst du mit diesen negativen Erlebnissen um? 

 Am liebsten würde ich immer mit dem besten Versuch des Tages eine Übung beenden, egal ob das im Wettkampf oder im Training ist- das klappt natürlich bei Weitem nicht immer. Wenn es in einer Übung nicht läuft versuche ich mich davon nicht runter ziehen zu lassen, was aber auch leider nicht immer klappt. Manchmal ärgere ich mich dann so sehr, dass ich einen Versuch so lange mache, bis ich selber damit zufrieden bin oder mein Trainer das dann beendet.

An manchen Tagen geht es aber auch schlicht und ergreifend nicht, dann versuche ich herauszufinden woran es liegen könnte und mache ein sinnvolleres Ausweichtraining.

Große Verletzungen hatte ich zum Glück noch nicht. Ab und an habe ich Probleme mit meinen Handgelenken. Wenn es im Training dann weh tut bin ich erst immer geknickt und versuche dann auch hier die Zeit möglichst sinnvoll mit anderen Übungen zu nutzen und an anderen Defiziten zu arbeiten. 

  1. Gibt es für dich ein großes sportliches Ziel, welches du in naher oder ferner Zukunft erreichen möchtest? 

Meistens verfolge ich immer mehrere Ziele. Einmal die eher kurzfristigen, die ich mir recht nah und realistisch setze um Erfolgserlebnisse zu haben und mich damit auch immer weiter zu motivieren. Das wäre zum Beispiel jetzt eine bestimmte Zweikampflast für das Ende des ersten Trainingszyklus dieses Jahrs, der Anfang September endet. Hier möchte ich auf neue Bestleistungen machen. Das nächste Ziel ist dann die Deutsche Meisterschaft im Dezember, wo ich dann auch wieder am Ende eines Zyklus sein werde und deshalb wieder neue Bestleistungen machen möchte. Auf welchen Platz ich damit im Endeffekt lande hängt sehr davon ab wer an den Start geht, wer vielleicht eine Gewichtsklasse hoch oder von oben runter kommt. Ich formuliere meine Ziele an meinen eigenen Leistungen und nicht als eine Platzierung. Konkret möchte ich zur Deutschen Meisterschaft mindestens 60 KG reißen und mindestens 85 KG Stoßen bei unter 59 KG Körpergewicht und hoffe eigentlich diese Ziele noch weiter hoch schrauben zu können, was ich aber davon abhängig mache, wie diese Vorbereitung läuft. 

Mein etwas weiter gesetztes Ziel im Zweikampf ist dann 65/90 KG bei ebenfalls 59 KG Körpergewicht. 

Langfristig möchte ich fester Bestandteil einer 1. Bundesliga-Mannschaft werden und in einigen Jahren auch konstant Medaillenkandidatin auf der Deutschen Meisterschaft sein, unabhängig davon wer teilnimmt oder auch nicht. Wie weit es dann noch nach oben gehen kann wird sich dann wahrscheinlich in den nächsten 2 Jahren abzeichnen. 

 

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